mitmachen ohne
mitzuspielen

Annette Ohme-Reinicke, von der ich noch immer nicht so recht weiß, was ich von ihr halten soll, hat einen sehr guten Artikel in der letzten 21 veröffentlicht - leider ist der Artikel nicht online. Der letzte Absatz fasst gut zusammen, um was es letztlich geht - und meines Erachtens ist es genau das, was mich dazu bringt, mich zu engagieren, nämlich die große Verarschung der Bürger durch die Politik und die routinierten Demokratiespielchen, die darüber hinwegtäuschen sollen, um was es wirklich geht. Auch bei S21. Vielleicht hilft dieser Artikel ja, unseren Fokus zu erweitern?
Und: Gibt es bald eine Neuauflage des Demokratiespiels durch den Bürgerentscheid?

"Für die Bestverdiener war der "Krieg" (der Kampf darum, was unter Demokratie zu verstehen ist) offenbar erfolgreich. Er funktioniert aber nur, solange die vereinzelten Einzelnen die Mechanismen der Verteilungspraxis neoliberaler Politik nicht durchschauen und infrage stellen. Deshalb - zum Schutz vor Kritik - wurde und wird weltweit mit überdimensionalen Polizeiaufgeboten gegen Occupy und alle anderen liberalismuskritischen sozialen Bewegungen vorgegangen. Und deshalb soll auch in Stuttgart um jeden Preis verhindert werden, dass sich eine Demokratievorstellung durchsetzt, die Fragen des Gemeinwohls und nicht der Profitmaximierung in den Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung stellt."

Und die Grünen spielen heftigst mit! Immer wieder lesenswert: Jutta Ditfurth über die Grünen http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaf...n-a-745943.html

Und noch eine Anmerkung: gestern Abend war ich im Theodor-Heuss-Haus zu einem Vortrag von Prof. Dr. Anselm Doering-Manteuffel, Historiker an der Uni Tübingen. Thema der Vortragsreihe war: "Demokratie in der Krise", Doering-Manteuffel sprach zum Thema "Nach dem Boom". Der Vortrag war wirklich außerordentlich gut, zumal er klar aufzeigte, wie sich die heutige Demokratie in nahezu allen Ländern "dem Markt" unterordnet und freiwillig entmachtet und Demokratie dadurch zur Farce wird. Entscheidungen würden von Expertenzirkeln getroffen, die von niemandem kontrolliert würden, noch schlimmer: die niemand wirklich kennen würde, wodurch natürlich auch keine Transparenz möglich sei. S21 zählte er ausdrücklich zu dieser Entwicklung dazu. Iriitierend fand ich, dass selbst die Wissenschaft keine Perspektive aufzeigt, wie aus dieser Situation herauszukommen sei. Wie sollten sich Parlamente, nachdem sie sich quasi selbst entmachtet hätten, wieder an die Macht bringen, wenn die Entscheidungen längst woanders gefällt werden? Doering-Manteuffel hält ganz offensichtlich Prognosen für durchaus möglich, dass wir etwa 2015 einen erneuten Crash erleben werden, der dann auch das politische System treffen wird. Keine guten Aussichten.
Für viele der Zuhörer (eher älteres, sehr arriviertes Publikum) war das ganz überraschend - in wie weit da etwas wirklich hängen bleibt, ist eher fraglich.
Es war noch ein S21-Gegner im Publikum, für den ich mich einmal wieder fremdschämen musste, weil er in der Fragerunde in ein langes Palaver ausbrach. Natürlich hatte er mit vielem Recht, aber das war echt zu viel des guten, weil sein Fazit war: alle auf die Straße! Und das in diesem Publikum :-) Entsprechend waren die Reaktionen - und entsprechend kommen wir bei diesen Leuten immer nur als Spinner an. Leider.

Mir hat der Vortrag dennoch Mut gemacht, dass wir an der richtigen Sache dran sind. Zwar ist die GU jetzt ja nicht sehr konstruktiv, aber sie zeigt zumindest klar auf, was wir von der "Postdemokratie" halten. Und vielleicht ist Aufklärungsarbeit aktuell auch wichtiger als die Suche nach Lösungen.

Ich werde versuchen, das Manuskript zu bekommen - andernfalls muss ich meine Aufnahme transkribieren, was aber einige Zeit dauern dürfte.